Ein Beitrag über Begrifflichkeiten – die Nomenklatur einer neuen Wissenschaft.
Da denkt man, man weiß was Kaffee ist. Man nehme Bohnen, heißes Wasser drauf – Kaffee, fertig! Dann beginnt man, sich intensiver mit dem Thema zu befassen. Da tauchen Begrifflichkeiten auf, die man teilweise noch nie gehört hat, die man nie in Bezug zu Kaffee und seiner Zubereitung gesetzt hätte oder die jahrelang völlig falsch verwendet werden. Und plötzlich steht man da mit seinem Kaffeewissen und fragt sich, wann das Ganze zu einer Wissenschaft mit eigener Nomenklatur wurde.
Da ich sicher nicht der einzige bin, dem das so geht, möchte ich dich ein wenig durch den Kaffeedschungel führen, dich an meinen Erkenntnissen teilhaben lassen und dafür sorgen, dass du bei der nächsten Kaffeediskussion mit deinem Wissen glänzen kannst. Los geht’s!
Interessiert mich nicht – die Bohne? Oder sollte sie?
Fangen wir vorne an. Was braucht man als erstes für einen guten Kaffee? Klar, Bohnen!
Bohnen sind es allerdings im eigentlichen Wortsinn nicht. Sie sind die Steinkerne der Kaffeekirsche. Die bekanntesten und kommerziell erfolgreichsten Sorten sind die Arabicabohne und die Robustabohne. Diese beiden Bohnen machen zusammen beinahe den gesamten Kaffeemarkt aus. Die vielfältigen Aromen kommen sind den unterschiedlichen Anbaugebieten, der Röstung, dem Mahlgrad und der Zubereitung geschuldet. Nur daraus – und aus der Mischung der Bohnen verschiedener Regionen – lassen sich bis zu 800 Aromen bilden. Einfach irre!
Arabicabohnen enthalten im Schnitt mehr Aromen als Robustabohnen. Diese wiederum sind mit einem höheren Koffeingehalt gesegnet. Den eigentlichen geschmacklichen Unterschied macht im nächsten Schritt jedoch die Röstung aus.
Man kann grob drei unterschiedliche Röstgrade voneinander unterscheiden: leicht, mittel und stark geröstet. Sicherlich gibt es dazwischen noch viele Nuancen. Aber zum Verständnis reicht diese grobe Einteilung.
Röstgrade – und wie sie den Unterschied machen
Leicht gerösteter Kaffee – auch als die helle Röstung bekannt – zeichnet sich durch helle Bohnen, blumige Aromen, einen hohen Koffeingehalt und einen hohen Säureanteil aus.
Die mittlere Röstung ist ein guter Kompromiss aus der hellen und der dunklen Röstung. Die Bohnen haben eine schöne, braune Farbe, das Aroma ist deutlich, aber nicht zu stark, Koffeingehalt und Säure sind auch eher im Mittelfeld anzusiedeln.
Die starke – auch dunkle – Röstung zeichnet sich durch die deutlich dunklere Färbung der Bohnen, den kräftigen und intensiven Geschmack bei niedrigem Koffeingehalt und wenig Säure aus. Die Aromen treten stark in den Vordergrund. Röstet der Kaffee zu lange, schmeckt er leicht verbrannt und bitter.
Also – auch ich wusste nicht, dass die dunkle, die starke Röstung ihren Namen NICHT vom Koffeingehalt hat, sondern von der Stärke der Aromen. Dass es sogar der Kaffee mit dem tendenziell niedrigsten Koffeingehalt ist, hätte ich nicht für möglich gehalten! Man lernt nie aus…
Mahlgrade – ja, die sind wirklich wichtig!
Anschließend muss man den Kaffee mahlen. Zumindest, wenn man ihn als ganze Bohne kauft. Und das sollte man, denn ich habe gelernt, dass Kaffee die besten Aromen direkt nach dem Mahlen abgibt. Für das beste Kaffeeergebnis also immer selbst mahlen!
Doch auch beim Mahlen lauern Tücken auf einen. So ist es ganz und gar nicht egal, zu welcher Textur man die Bohnen zerreibt. Jede Kaffeemaschine hat ihre speziellen Vorlieben und jede Kaffeespezialität ebenso! Während für echten türkischen Kaffee – den Mokka – die Bohne nicht fein genug gemahlen sein kann, darf es bei der FrenchPress durchaus gröber zugehen.
Grund dafür sind zum einen die Brühdauer und die Art des Brühens. Als Richtwert kann man sagen, dass je feiner der Mahlgrad ist, desto kräftiger der Kaffee wird – und wir sprechen hier wieder von den Aromen – nicht vom Koffein! Ein gröberer Mahlgrad sorgt für milderen Kaffee. Gleichzeitig sollte man bei einem feinen Mahlgrad eine kürzere Brühdauer, bei gröberem Kaffeepulver eine längere Brühdauer wählen.
Das hat physikalische Gründe: Feines Pulver = große Oberfläche. Daraus können sehr viel mehr Aromen, Bitterstoffe etc. herausgelöst werden. Ist die Brühdauer dann noch sehr hoch, ist das Ergebnis schnell überextrahiert. Grobes Pulver = kleinere Oberfläche. Hier lösen sich während des Brühens grundlegend weniger Aromen. Deshalb kann die Brühdauer auch etwas länger sein.
Okay, also auf die Röstung achten, den Mahlgrad und die angestrebte Zubereitungsart. Bis hierhin kein Problem!
Zubereitung – nun kommt der Clou!
Doch nun kommen wir zu den unterschiedlichen Zubereitungsarten und den daraus folgenden Ergebnissen. Denn was ist nun los, mit Filterkaffee, Espresso, Mokka, Moka, Caffè, Latte Macchiato, Cappuccino und Konsorten?
Dafür müssen wir vorab einmal unterscheiden: Einige Kaffeespezialitäten kommen so wie sie sind und bezeichnet werden direkt aus einer Maschine. Das gilt z.B. für Filterkaffee, Espresso und Caffè. Andere Kaffeespezialitäten entstehen aus ihnen und benötigen noch andere Zutaten – häufig Milch oder Milchschaum. Dazu zählen unter anderem Cappuccino, Latte Macchiato oder Caffè Latte.
Nun beginnt der verwirrende Teil! Denn neben den ohnehin schon etwas komplizierten Begrifflichkeiten und Bezeichnungen kommt nun noch hinzu, dass ein großer Teil der sprechenden oder schreibenden Bevölkerung diese falsch einsetzt oder deren richtige Bedeutung nicht kennt. Beispiel gefällig?
Was ist das?
Die Antworten fallen jetzt sicherlich vielfältig aus. Aber an diesem kleinen Gerät kann man das ganze Dilemma sehr schön aufzeigen finde ich.
Mögliche Antworten: Espressokocher, Mokkakanne, Mokakanne (hier liegt kein Rechtschreibfehler vor), Bialetti, Kaffeekocher, Herdkännchen, Espressokanne, Expressokocher (da rollen sich mir die Fußnägel auf 😉) – und vielleicht habe ich sogar noch welche vergessen.
Ja, aber was ist es denn nun? Im Prinzip sind folgende Bezeichnungen für dieses Gerät richtig – oder zumindest nicht grundlegend falsch:
- Mokakanne
- Herdkännchen
- Kaffeekocher
- Bialetti – sofern es sich tatsächlich um das Markenprodukt handelt (ähnliches Phänomen wie bei Tempo – jeder weiß das ein Taschentuch gemeint ist, auch wenn es sich nur um den Markennamen handelt)
Was dieses Ding NICHT ist:
- Espressokocher
- Mokkakanne
- Espressokanne
- Expressokocher
Zum Vergleich. Das hier ist ein Espressokocher – manch einer sagt auch Espressomaschine oder Siebträgermaschine dazu:
Und das hier ist eine Mokkakanne:
Und Expresso ist einfach nur falsch…
An den Begrifflichkeiten scheitern dann die meisten…
Nun muss ich doch etwas weiter ausholen, fürchte ich. Die Bezeichnung Kaffeekocher ist in der Regel nie falsch, wenn es sich um ein Gerät zum Kochen von Kaffee handelt. Als würde man zu einem Porsche 911 GT3 RS Fortbewegungsmittel sagen. Korrekt, aber es trifft den Kern der Sache auch irgendwie nicht richtig, oder?
Naja, wieder weg von Autos, hin zum Kaffee. Mokka und Espresso unterschieden sich grundlegend. Mokka ist die türkische Variante des Kaffeeaufgusses, bei der pulvrig fein gemahlener Kaffee mehrmals in einem Kupferkännchen aufgekocht wird und mitsamt Kaffeesatz gesüßt und gewürzt getrunken wird. Espresso wird in einer Siebträgermaschine unter Zuhilfenahme von Druck (meist 9 bar) innerhalb einer bestimmten Zeit genommen. Hier hat Kaffeesatz nichts in der Tasse verloren. Außerdem zeichnet eine schöne Crema den Espresso aus.
Bei genauerer Betrachtung des oberen Bildes stellen wir also nun fest, dass davon nichts auf dieses Kännchen zutrifft. Der Druck, der hier entsteht und das Wasser von unten nach oben drückt, liegt bei 1,5 bis 3 bar. Für Espresso viel zu wenig. Aber was kommt dann aus diesem Gerät? Kaffee. Okay, das hatten wir schon. Aber was genau? Die Italiener bezeichnen dieses Ergebnis als Caffè. Die Bezeichnung Moka soll wiederum einen bestimmten Mahlgrad kennzeichnen. Allerdings trägt die Kanne in Italien auch einfach schlicht den Namen Moka-Kanne. Es kann sich daher auch nur um die Gerätebezeichnung handeln. Hier sind sich die Quellen nicht hundertprozentig einig. Wir kommen der Sache aber langsam näher.
Ist doch alles Kaffee, oder was?
Der türkische Mokka und der italienische Moka haben also nicht so viel miteinander zu tun. Außer, dass es im weitesten Sinn um Kaffee geht.
Weiter geht es nun mit den Kaffeespezialitäten. Ein Cappuccino unterscheidet sich von einem Latte Macchiato, soviel ist sicher. Aber wie? Die Tasse, bzw. das Glas, in dem er serviert wird, sieht anders aus. Aber ist das alles? Nein. Beide werden mit einem Espresso – man nehme hier klassisch 30 ml – und 60 ml Milch, bzw. Milchschaum zubereitet. Und hier kommt der Trick: Im Cappuccino sind es 60 ml Milchschaum, im Latte Macchiato 30 ml Milchschaum und 30 ml Milch. Verwirrend? Finde ich auch! 😉
Aber die Basis liefern bei den meisten Kaffeespezialitäten entweder der Filterkaffee oder der Espresso. Möchte man zuhause gerne mal etwas Extravagantes trinken, kann man aber auch guten Gewissens ein bisschen schummeln. Aus einer Kapsel- oder Padmaschine kommt kein echter Espresso. Dennoch kann man mithilfe eines Milchschäumers etwas zaubern, dass grundlegend nach einem Cappuccino schmeckt. Und das ist auch in Ordnung. Wer natürlich etwas mehr will, muss sich auch für zuhause mit einer etwas teureren Anschaffung anfreunden.
Vollautomaten können übrigens auch gute Kaffeespezialitäten zaubern. Auch sie sind nicht komplett vergleichbar mit einem mit Können, handwerklichem Geschick und einer Portion Liebe zubereitetem Cappuccino aus der Siebträgermaschine, aber dennoch sehr solide. Wer den Aufwand des Selbstmachens scheut, der ist damit gut bedient. Außerdem sagt einem die Maschine hier, was unten rauskommt – das kann auch schon ziemlich helfen! 😉
Und hier noch ein paar wissenswerte Fakten
Wusstest du…
…dass echte Profis ihren Kaffee mithilfe einer Waage zubereiten?
…dass man auch eine klassische Cezve oder ein Aluminium Herdkännchen mithilfe einer Adapterplatte auf einem Induktionsherd nutzen kann?
…dass es Tamper gibt, deren Anpressdruck man manuell einstellen kann? Und wusstest du überhaupt von der Existenz von Tampern?
…dass es Kaffeeröster für Zuhause gibt, mit deren Hilfe du aus Rohkaffee deine eigene bevorzugte Röstung herstellen kannst?
…dass die Bezeichnung „starker Kaffee“ sehr irreführend ist? Frage dein Gegenüber, ob damit ein aromatischer Kaffee aus einer dunklen Röstung gemeint ist oder ein Kaffee mit besonders viel Koffein gewünscht ist!
…dass es für Kaffeespezialitäten, die man normalerweise mit Milch zubereitet, inzwischen gut schäumbare Pflanzenalternativen gibt?